Musizieren in der Wohnung – wann ist es Lärmbelästigung?

Musizieren in der Wohnung ist grundsätzlich erlaubt – allerdings mit Einschränkungen. Wann geübt werden darf, regeln Mietvertrag oder Hausordnung. Wir erläutern, worauf Musiker achten und was Nachbarn hinnehmen müssen.

Musizieren in der Wohnung – was ist erlaubt?

Ob virtuose Etüden auf der Klarinette, eintönige Tonleiterübungen auf dem Klavier oder stundenlanger Instrumentalunterricht mit der Trompete – das Musizieren in einer Mietwohnung oder einem hellhörigen Reihenhaus ist immer wieder Stein des Anstoßes. Eine einheitliche Rechtsprechung existiert nicht. Meist beschäftigen sich die Gerichte mit jedem Einzelfall.

Gänzliches Verbot von Hausmusik unzulässig

Auch wenn aus der Nachbarwohnung eher Krach als melodische Musik tönt – zumindest zeitweise müssen Sie es erdulden. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs zählt das Musizieren innerhalb der eigenen Wohnung zum sozial üblichen Verhalten (Az. V ZB 11/98) und ist damit nicht gleich eine Lärmbelästigung. Zwar seien Einschränkungen der Übungszeiten möglich, ein generelles Musizierverbot allerdings sei unzulässig. Schließlich müssten auch andere Geräusche akzeptiert werden. Hausmusik störe nicht mehr als Fernsehen oder Radio, urteilten die Bundesrichter. Ähnlich entschied der Bundesgerichtshof auch 2018 im Fall eines trompetespielenden Berufsmusikers (Az. V ZR 143/17).

Nachtruhe und Mittagsruhe beachten

Ruhezeiten sind zwar in Deutschland nicht einheitlich gesetzlich verankert. In den meisten Regionen jedoch gilt eine strikte Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Diese ergibt sich aus Lärmschutzregeln in Gemeindesatzungen oder Landesgesetzen. Zudem ist zum Teil eine Mittagsruhe zwischen 13 und 15 Uhr einzuhalten. Während dieser Ruhezeiten ist lediglich leises Musizieren in Zimmerlautstärke erlaubt.

Übungszeiten geregelt in Hausordnung oder Mietvertrag

Wann und wie lange außerhalb der Ruhezeiten geübt werden darf, regelt in Mehrfamilienhäusern außerdem die Hausordnung oder der Mietvertrag. Was darin steht, ist verbindlich. Dennoch kommt es immer wieder zum Streitfall wegen der Übungszeiten. Gibt es keine feste Regelung, halten die meisten Richter zwei bis drei Stunden Musizierzeiten täglich für zumutbar.

Zimmerlautstärke geht immer

Wer es schafft, ausschließlich in Zimmerlautstärke zu musizieren, muss keine Ruhezeiten einhalten. Von Zimmerlautstärke spricht man dann, wenn die Geräusche entweder gar nicht mehr in den Nachbarwohnungen zu hören sind oder zumindest nur noch so leise wie die allgemeinen, für dieses Haus typischen Wohngeräusche des täglichen Lebens. Nicht dazu zählen vermeintlich ruhige Klavierstücke, da Klavierspielen in Zimmerlautstärke praktisch unmöglich ist (LG Frankfurt/M. Az. 2/25 O 359/89).

Hellhörigkeit von Wohnung oder Reihenhaus

Wie viel Lärm tatsächlich aus einer Wohnung nach draußen dringt, hängt mitunter von der Bausubstanz des Gebäudes ab. Denn auch die Hellhörigkeit von Wohnung, Doppel- oder Reihenhaus kann die erlaubte Musizierzeit beeinflussen. Entscheidend ist, was nach draußen dringt und oberhalb der erträglichen Lautstärke liegt, um nicht als Lärmbelästigung zu gelten.

Art des Musikinstruments entscheidend

Einige Instrumente sind von vornherein nicht in Zimmerlautstärke spielbar. Gerichte müssen sich daher immer wieder mit Fällen beschäftigen, die sich auf das Üben bestimmter Instrumente in der Nachbarschaft beziehen.

Klavier – Spielen mit Grenzen

Klavierspiel in der Nachbarwohnung führt zu den meisten Urteilen. Die Bandbreite, wie lange auf den Tasten geübt werden darf, reicht von eineinhalb bis fünf Stunden am Tag. So schränkten die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt/M. das Klavierspielen auf eineinhalb Stunden täglich ein, wenn es durch das Musizieren zu Beeinträchtigungen der Nachbarn kommt (OLG Frankfurt/M. Az. 20 W 148/84). Großzügiger zeigten sich die Richter in einem anderen Fall: Klavierspiel bis zu drei Stunden täglich von Montag bis Freitag und fünf Stunden täglich an Wochenenden und Feiertagen bei Beachtung der Nacht- und Mittagsruhe hielten sie für zumutbar (LG Frankfurt/M. Az. 2/25 O 359/89).

Akkordeon – Fenster und Türen beim Üben schließen

Das Musizieren mit dem Akkordeon schränkten die Richter am Landgericht Kleve auf maximal eineinhalb Stunden täglich ein. Nicht geübt werden dürfe zwischen 22 und 9 Uhr sowie von 13 bis 15 Uhr. Während der Spielzeit seien außerdem Fenster und Türen geschlossen zu halten (LG Kleve Az. 6 S 70/90).

Wann ist Musizieren in der Wohnung Lärmbelästigung?

Schlagzeug – keine leichte Hausmusik

Nur 45 bis 90 Minuten Spielzeit täglich außer sonntags erlaubten die Richter am Landgericht Fürth einem Schlagzeugspieler (LG Nürnberg-Fürth Az. 13 S 5296/90). Der Grund: Beim Schlagzeug geht es um überwiegend tiefe Frequenzen, die impulsartig eindringen. Die stark rhythmische Komponente lässt immer wieder aufhorchen und führt zu Ablenkungen im Gegensatz zu leicht dahinplätschernder Hausmusik. Das müssen Nachbarn nur zeitlich eingeschränkt ertragen.

Klarinette und Saxofon – limitierte Spielzeit

Bei sehr lauten Instrumenten dürfen die Spielzeiten limitiert werden. Das deutlich wahrnehmbare Musizieren mit Saxofon und Klarinette schränkten die Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe erheblich ein: Nach zwei Stunden werktags und einer Stunde sonntags ist die Grenze des Zumutbaren erreicht (OLG Karlsruhe Az. 6 U 30/87).

Gewerblicher Musikunterricht im Haus

Wer als Musiklehrer seine Schüler in der Mietwohnung unterrichtet, muss dies zuvor mit dem Vermieter vereinbaren. Denn bei geschäftlichen Aktivitäten, die nach außen in Erscheinung treten, liegt eine Nutzung vor, die der Vermieter nicht grundsätzlich dulden muss. Dabei ist es egal, ob diese Tätigkeit freiberuflicher oder gewerblicher Art ist. So bestätigte der Bundesgerichtshof 2013 die Kündigung eines Mieters, der insgesamt zwölf Schülern pro Woche Unterricht auf der Gitarre erteilte (Az. VIII ZR 213/12).

Gleiche Regeln für Hobbymusiker und Berufsmusiker

Die im Mietvertrag bzw. in der Hausordnung angegebenen Übungszeiten betreffen alle Mieter gleichermaßen – egal ob das Musizieren eine Freizeitbeschäftigung ist oder ob ein Profimusiker am Werk ist. Laut Bundesgerichtshof hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument zu Hause spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt (Az. V ZR 143/17).

Ärger vorbeugen – Rücksicht nehmen

Statt direkt den Gang zum Anwalt zu nehmen, sollten lärmgeplagte Mieter zunächst einmal das Gespräch mit dem Nachbarn suchen. Häufig lässt sich ein Kompromiss finden, mit dem beide Seiten zufrieden sind. Generell sollten Musiker aus Rücksicht auf ihre Nachbarn während des Musizierens Fenster und Türen geschlossen halten. Manche Tricks verhelfen zu leiseren Tönen: Geige mit einem Tonwolf üben, bei Blechblasinstrumenten einen Dämpfer einsetzen oder ein Klavier wählen, das der Pianist bei Bedarf stumm schalten und mit Kopfhörer spielen kann.

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