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Ohne klare Regelung ist es für die Hinterbliebenen schwierig, digitale Abos und Konten von Verstorbenen aufzulösen. Besser ist es, sich rechtzeitig selber um seinen digitalen Nachlass zu kümmern. Hier unsere wichtigsten Tipps.
Soziale Medien, Onlineshopping, E-Mails: Wir sind es gewohnt, das Internet vielfältig zu nutzen. Viele Seiten und Funktionen sind dabei passwortgeschützt – und damit nur für denjenigen zugänglich, der dazu berechtigt ist. Was im Normalfall richtig ist und die persönlichen Daten schützt, kann sich ins Gegenteil verkehren, wenn ein User verstirbt. Was nun? Und persönliche Daten sind dabei nur ein Teil des digitalen Nachlasses.
Was zum digitalen Nachlass zählt
Als digitalen Nachlass bezeichnet man sämtliche Rechtsverhältnisse eines Verstorbenen, die dessen IT-Systeme einschließlich seines gesamten digitalen Datenbestands betreffen. Dazu zählen Verträge mit Onlinediensten, wie zum Beispiel Mobilfunkanbietern, Versandhändlern, Reiseanbietern, Dating-Portalen und Auktionsplattformen. Auch Webseiten, E-Mail- und Social-Media-Accounts, PayPal-Guthaben, Daten in Clouds sowie auf Geräten wie Smartphones, USB-Sticks und Festplatten gespeicherte Daten und virtuelle Adressbücher fließen ins digitale Erbe, ebenso sämtliche Daten auf Fitness-Armbändern.
Die schnelle Frage zum Thema:
Was nach dem Tod mit dem digitalen Erbe passiert
Sämtliche Vermögenswerte eines Verstorbenen gehen mit dessen Tod auf die Erben über – und mit diesen auch Rechte und Pflichten. Das digitale Erbe zählt dazu. Der Erbe haftet auch für die Schulden des Verstorbenen. Er muss also Onlineverträge erfüllen: die Handyrechnung bezahlen, die gebuchte Reise stornieren, ersteigerte Produkte abnehmen. Es gibt eine Vielzahl von Verträgen, die in der „analogen Welt“ nicht in Erscheinung treten, aber doch ständig Kosten verursachen – etwa Abos für diverse Onlinedienste. Erben sollten daher möglichst schnell Onlinekonten des Verstorbenen auflösen und den jeweiligen Nutzungsvertrag stornieren. Hinzu kommt: Viele Bankkonten werden nur noch als Onlinekonten geführt, oft mit Online-Wertpapierdepot.
Gesetzeslage für digitalen Nachlass
Geht es um das Vermögen des Verstorbenen einschließlich seiner Schulden, ist die Rechtslage seit jeher klar: Wer erbt, richtet sich nach der gesetzlichen Erbfolge oder dem Testament. Wie allerdings mit Social-Media-Accounts und ins Internet gestellten persönlichen Daten und Fotos zu verfahren ist, war lange Zeit nicht klar geregelt. Hier treffen verschiedene Rechtsgebiete aufeinander:
- Das Persönlichkeitsrecht, welches die Rechte des Verstorbenen auch nach seinem Ableben schützt. Nur er selbst kann bestimmen, was nach seinem Tod mit seinen persönlichen Daten im Netz passieren soll.
- Nach dem allgemeinen Urheberrecht gehen die Rechte an selbst erschaffenen Werken an den oder die Erben über. Dazu zählen zum Beispiel auch digitale Fotos.
- Das Datenschutzrecht und das Fernmeldegeheimnis schützen diejenigen, mit denen der Verstorbene zu Lebzeiten kommuniziert hat.
BGH-Grundsatzurteil zum digitalen Erbe
Im Juli 2018 hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Facebook den Erben Zugriff auf das Facebook-Konto des Verstorbenen gewähren muss, inklusive aller privaten Nachrichten. Diese sollen wie Tagebücher oder Briefe behandelt werden. Facebook gewährte den Erben aber weiterhin keinen Zugriff auf die Konten Verstorbener. Der klagenden Mutter wurde lediglich ein USB-Stick mit Daten des Facebook-Accounts ihrer verstorbenen Tochter zugestellt.
Im August 2020 entschied der Bundesgerichtshof, dass dies nicht ausreiche. Dem Erben müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, sich auf dem Facebook-Account so „bewegen“ zu können wie zuvor der Erblasser selbst – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung.
Wer kann Bevollmächtigter sein?
Bevollmächtigter für Ihren digitalen Nachlass muss nicht Ihr Erbe sein. Sie können beispielsweise einen guten Freund als Nachlasskontakt bestimmen. Allerdings kann Ihr Erbe in diesem Fall die Vollmacht widerrufen. Dies gilt auch, wenn Sie einen von mehreren Miterben bevollmächtigen. Wenn Sie ohnehin ein Testament anfertigen, können Sie darin auch gleich die Verwaltung Ihres digitalen Erbes regeln. Dann kann Ihr Erbe die Vollmacht für Ihren Nachlassverwalter nicht widerrufen. Sinnvoll kann es sein, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen und diesen auch mit der Regelung des digitalen Nachlasses zu betrauen. Er kann dann auch mögliche Guthaben von Onlinekonten oder Bezahldiensten entsprechend dem Testament an die Erben verteilen.
Übrigens:
Es ist nicht ratsam, Ihre Passwortliste mit in Ihr Testament zu schreiben. Zum einen eröffnet das Nachlassgericht das Testament und verschickt eine Kopie davon an alle Beteiligten. Zum anderen müssen Sie bei jeder Passwortänderung auch Ihr Testament ändern – bei einem notariellen Dokument käme das ziemlich teuer.
Sonderfall: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Kaum einer stellt sich die Frage, wer digitale Daten verwaltet, wenn man dies aufgrund einer Krankheit selbst nicht tun kann. Ihre Verpflichtungen in der virtuellen Welt gehen weiter, selbst wenn Sie nach einem Unfall im Koma liegen. Haben Sie schon über eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung nachgedacht?
Bestimmen Sie zu Lebzeiten eine Vertrauensperson, die Sie vertritt
Mit einer Vorsorgevollmacht ernennen Sie eine Person zu Ihrem gesetzlichen Vertreter für den Fall, dass Sie aus eigenen Kräften nicht für sich selbst sorgen können. Sie können festlegen, für welche Bereiche die Vorsorgevollmacht gelten soll. Dabei kann es zum Beispiel um Bankgeschäfte gehen, Ihre Wohnung – oder eben auch um Ihre Onlinegeschäfte. Die von Ihnen bestimmte Person wird in Ihrem Namen handeln und alle Ihre Onlinekonten verwalten.
Rechtzeitig vorsorgen: Betreuungsverfügung
Wurde keine Vorsorgevollmacht erteilt, bestellt das Betreuungsgericht, eine Abteilung des örtlichen Amtsgerichts, im Notfall einen gesetzlichen Betreuer. Mit einer Betreuungsverfügung können Sie eine Vertrauensperson festlegen, die vom Gericht bestellt werden soll, falls dies nötig wird. Sie können darin auch bestimmte Personen ausdrücklich von der Betreuung ausnehmen.
Digitales Erbe verwalten – das müssen Hinterbliebene tun
Ist der digitale Nachlass nicht geregelt und hat der Verstorbene seine Passwörter mit ins Grab genommen, bleibt Erben oft nichts anderes übrig, als sich auf eine aufwendige Spurensuche zu machen. In welchen Netzwerken war der Verstorbene aktiv, welche Verträge und Onlinekonten laufen noch? Dazu hilft ein Austausch mit anderen Internetnutzern in den Bereichen, wo der Verstorbene angemeldet war bzw. immer noch ist. Welche Dienste genutzt wurden, verrät oft auch ein Blick aufs Smartphone des Verstorbenen.
Verträge, Abos und Onlinekonten kündigen
Kündigen Sie schnellstmöglich kostenpflichtige Verträge (z. B. Mobilfunk) und Mitgliedschaften, wie beispielsweise Streaming-Dienste, Filmplattformen und Partnerbörsen. Stornieren Sie Reisen, die der Verstorbene noch zu Lebzeiten gebucht hat.
Nutzungsvertrag nach dem Ableben kündigen
Wie Sie einen Sterbefall melden, ist nicht einheitlich geregelt. Viele Anbieter räumen im Todesfall des Nutzers ein Sonderkündigungsrecht ein. Meist müssen Sie sich ausweisen, die Sterbeurkunde und zum Teil Ihren Erbschein vorlegen, um Konten bei Onlinediensten eines Verstorbenen auflösen zu können. Kontaktieren Sie hierzu den Kundenservice des jeweiligen Anbieters.
Twitter: So melden Sie einen Todesfall
Der Blogging-Dienst Twitter verlangt viele Unterlagen, bevor ein Twitter-Account gelöscht wird: Sterbeurkunde, Kopie vom Ausweis oder Führerschein des Antragstellers, ein notariell beglaubigtes Dokument mit Kontaktdaten des Erben und Angaben zu seiner Beziehung zum Verstorbenen. Das alles müssen Sie zum Firmensitz nach San Francisco senden. Bis zur endgültigen Löschung des Kontos können durchaus bis zu sechs Monate vergehen.
GMX.de und Web.de: hohe Hürden für den Account-Zugriff
Nach Vorlage der Sterbeurkunde können Sie in der Regel das Nutzerkonto bei GMX.de und Web.de löschen lassen. Aber: Für den Zugriff auf das Postfach und die abgespeicherten Inhalte sind ein Erbschein, ein Ausweis, ein handschriftlich unterschriebener schriftlicher Antrag und ggf. eine Vollmacht von allen anderen Miterben notwendig.
Yahoo.de: kein Einblick in die Daten
Yahoo hingegen beruft sich auf das Fernmeldegeheimnis, das die Menschen schützt, mit denen der Verstorbene über seinen E-Mail-Account kommuniziert hatte. Als Erbe erhalten Sie somit keinen Einblick in die Daten. Die Löschung des Accounts ist bei Vorlage der Sterbeurkunde möglich.
Xing: Löschung nach Rückfrage
Wenn Sie als Nachlassverwalter dem sozialen Netzwerkbetreiber Xing einen Todesfall melden, stellt Xing das Profil auf unsichtbar und fragt beim Profilnutzer nach, ob der Account tatsächlich nicht mehr gebraucht wird. Bleibt eine Antwort aus, wird das Konto nach drei Monaten gelöscht.
LinkedIn: Link zur Todesanzeige
Die Businessplattform LinkedIn macht es Angehörigen oder Freunden relativ einfach, den Account eines Verstorbenen zu löschen. Ein Nachweis der Familienzugehörigkeit ist nicht erforderlich. Lediglich die Beziehung zum Verstorbenen muss angegeben werden. Auch der Link zur Todesanzeige oder einem Zeitungsartikel scheint LinkedIn zu genügen. Mit diesem Formular stellen Sie die Anfrage auf Entfernung des Accounts.
Pinterest: So wird der Account gelöscht
Wer den Pinterest-Account eines Verstorbenen deaktivieren möchte, muss sich durch mehrere Hilfeseiten navigieren und die erforderlichen Nachweise – verwandtschaftliche Beziehung und Todesnachweis – einreichen.
Hier startet der Prozess.
Snapchat: keine Regelung im Todesfall
Auch Snapchat hat den Umgang mit verstorbenen Nutzern nicht offiziell geregelt. Für die Löschung des Accounts sollten Sie daher den Anbieter direkt kontaktieren. Hier ist Geduld gefragt, denn für jede Anfrage muss man sich durch ein buntes Menü navigieren. Wer sich bis zum Ende durchklickt, findet unter „Ich möchte Feedback geben“ schließlich ein Kontaktformular für Fragen ohne standardisierte Antwort. Meist werden jedoch nur auf Englisch gestellte Fragen beantwortet.
Ebay: Bestätigung per Mail
Hier gibt es kein geregeltes Verfahren. Setzen Sie sich mit dem Ebay-Kundenservice in Verbindung. In der Regel wird auch Ebay die Zusendung von Unterlagen wie der Sterbeurkunde oder einen Nachweis Ihrer Identität verlangen. E-Mails werden zwar beantwortet – allerdings stets an die hinterlegte E-Mail-Adresse, also an die des Verstorbenen. Fragen Sie also beim Kundenservice lieber direkt nach, ob das Konto gelöscht wurde.
Facebook: Gedenkstatus oder Löschung
Um das Profil des Verstorbenen zu löschen, reichen eine Sterbeurkunde und ein Nachweis, dass der Antragsteller ein naher Angehöriger oder Nachlassverwalter ist. Grundsätzlich versetzt Facebook ein Konto in den Gedenkzustand, sobald es vom Ableben des Nutzers erfährt. Dann bleiben die Profilinhalte bestehen, Freunde können in der Chronik Erinnerungen teilen. Die Zugangsdaten des Toten werden dadurch ungültig, Einloggen ist nicht mehr möglich. Hier beantragen Sie den Gedenkzustand eines Facebook-Kontos.
Instagram: Gedenkzustand oder Konten entfernen
Auch Instagram versetzt das Konto eines Verstorbenen in den Gedenkzustand, sobald eine berechtigte Aufforderung dazu vorliegt. Dies kann zum Beispiel ein Link zu einer Todesanzeige oder zu einem Zeitungsartikel sein. Instagram akzeptiert ebenso eine Sterbeurkunde als Nachweis des Todesfalles. Die Entfernung von Instagram-Konten können nur verifizierte unmittelbare Familienangehörige beantragen. Dazu ist dieses Formular auszufüllen.
WhatsApp: Kontolöschung per Mail veranlassen
Um den WhatsApp-Account eines Verstorbenen löschen zu lassen, ist eine E-Mail an support@whatsapp.com ratsam. WhatsApp-Nutzer können auch das Kontaktformular in der App nutzen. Sie können auch einfach nichts tun. WhatsApp-Accounts werden nach 120 Tagen Inaktivität automatisch gelöscht.
Datenschutz: Was passiert mit den Daten nach dem Tod?
Onlinedienste müssen sich an die Vorgaben zum Datenschutz halten. Sie dürfen die persönlichen Daten zur Abwicklung des Kundenkontos auch nach dem Ableben des Kontoinhabers weiterhin nutzen. Anschließend werden die Daten „in gesperrter Form“, also verschlüsselt, entsprechend gesetzlicher Aufbewahrungsfristen archiviert.
Daten auf Datenträgern gehören zum digitalen Erbe
Ziemlich einfach verhält es sich mit Daten auf Datenträgern wie Speicherkarten, USB-Sticks, externen Festplatten, Computer oder Tablet: Die gespeicherten Daten gehen samt Speichermedium auf den Erben über. Kennt dieser den Nutzercode, kann er auch über die dort gespeicherten Daten verfügen. Es sei denn, es wurde eine andere Regelung im Testament getroffen.
Inhalte von Streaming-Diensten und E-Books nicht vererbbar
Heruntergeladene Daten auf Lesegeräten wie im Falle von E-Books werden hingegen nicht weitervererbt. Gekauft wurde nämlich nur die Lizenz zum Lesen, nicht aber die Inhalte an sich. Gleiches gilt bei Streaming-Diensten wie Spotify, Netflix, Prime und Co. Ohne Zugriffsdaten haben Erben hier keine Chance, an die Inhalte zu kommen.
Kein Zugriff auf Daten bei Internetprovidern
Ähnlich verhält es sich mit Daten, die der Verstorbene im Internet hinterlegt hat, etwa in einer Cloud. Ob Angehörige und Erben einen Anspruch auf Herausgabe solcher Daten haben, ist rechtlich nicht geklärt. Üblicherweise geben die Provider die Daten jedoch nicht an die Erben heraus – mit dem Hinweis auf das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen. Der Anbieter Dropbox etwa verlangt für einen Kontenzugriff nicht nur den Nachweis des Todesfalles und eine Identifikation des Antragstellers, sondern auch einen Gerichtsbeschluss, nach dem Dropbox zur Herausgabe der Daten verpflichtet ist – alles zu senden nach San Francisco.
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